
Lichtstarke, manuelle Objektive in der Flamenco-Fotografie
Vor einem Jahr haben wir mit dem Fotografen Hans-Jürgen Sommer in einem sehr spannenden Interview über die Faszination der Street-Fotografie gesprochen. Damals verriet er uns: Es ist die Herausforderung den richtigen Moment festzuhalten, die ihn an der Fotografie so fasziniert. Dabei beschreitet er gern auch ungewöhnliche Wege. Wie bei diesen einzigartigen Aufnahmen, die ihm mit Hilfe extrem lichtstarker manueller Objektive gelangen:
Foto: Hans-Jürgen SommerDie iberische Halbinsel gehört bei uns, meiner Frau und mir, zu einem der Haupt-Reiseziele. Meine Frau spricht fließend Spanisch und hat ein Jahr in Granada ein Auslandssemester verbracht. Dort hat sie ihre ersten Erfahrungen mit Flamenco gemacht, u. a. einen Kurs belegt. Auf einer dieser Reisen nach Andalusien, genauer nach Malaga, habe ich den echten Flamenco kennengelernt, nicht den Touristen Flamenco in den Hotels.
Auf unserer Tour durch Malaga entdeckten wir ein Flamenco-Museum. Zu unserer Freude sollte im Keller des Museums abends ein Auftritt stattfinden. Und wirklich: Mit spanischer Verspätung ging es los und ich war fasziniert. Diese Musik, der Gesang und der Tanz waren absolut ästhetisch. Natürlich begleitete ich diesen Abend mit der Kamera.
Foto: Hans-Jürgen SommerEinige Jahre später sichtete ich mal wieder die Bilder von diesem Abend und mir kam die Idee: Ob es wohl in meiner Nähe Flamenco-Auftritte gibt?
Ich begann zu recherchieren und entdeckte in Ludwigshafen eine Flamenco-Tanzschule. Nach einer Mail mit den Malaga-Fotografien als Referenz war klar: Ich sollte einen Live-Auftritt fotografieren im Weingut der Leiterin der Flamenco-Schule. Dort, in Kirchheim an der Weinstraße, sollte der Auftritt stattfinden.
Im Vorfeld machte ich mir viele Gedanken mit welchen Kameras und Objektiven ich fotografieren werde. Ich kannte ja die Location nicht. Ich ging auf sicher und meine Wahl fiel auf meine Nikon D800 mit Nikkor 35/1,4 G. Ein Autofokus-Objektiv wollte ich mindestens haben. Meine zweite Kamera war eine Nikon Z6 II, für die ich einige sehr lichtstarke manuelle Objektive habe. Ich wusste, dass das Anwendungsgebiet dieser Linsen sehr speziell ist. Doch ihr Freistellungsvermögen ist einfach überwältigend. Meine Wahl fiel auf ein 50er mit Lichtstärke 0,95 und das TTArtisan 90/1,25. Und meine Auswahl passte perfekt.
TTArtisan 90mm f/1.25
- TTArtisan 90mm f/1,25
- Sensortyp: Vollformat
- Blendeneinstellung: manuell
- Blendenring: rastet
- Bildwinkel: 27°
- Naheinstellgrenze: 100cm
- Optischer Aufbau: 11 Elemente in 7 Gruppen
- Fokussierung: manuell
Foto: Hans-Jürgen Sommer
Foto: Hans-Jürgen SommerAn diesem Abend waren wir etwas früher in dem Weingut in dem der Auftritt stattfinden sollte. Eine große, schön hergerichtete Scheune. Wir hatten perfekte, reservierte Plätze. Etwas schräg vor der Bühne nahm ich meinen Platz mit der Ausrüstung ein und die Vorstellung begann. Leider konnte ich nur im Sitzen fotografieren, da hinter mir natürlich Publikum war. Nur ab und zu konnte ich aufstehen.
Meine Frau und ich waren überrascht wie gut das Ensemble war. Eine Mischung aus deutschen und spanischen Musikern und Sängern mit deutschen und spanischen Tänzerinnen und Tänzern bot eine tolle Show auf andalusischem Niveau. Aber natürlich fotografierte ich auch - und das war mit den manuellen Objektiven eine echte Herausforderung. Die 35mm waren perfekt für die Übersicht über die Bühne, der AF erleichterte die Arbeit ungemein.
Doch die besten Bilder gelangen mir mit den manuellen Objektiven: Einzelne Personen auf der Bühne konnte ich mit dem 50/0,95 freistellen. Für bestimmte Körperteilstudien verwendete ich das TTArtisan 90/1,25. Dabei nutzte ich die Methode auf einen bestimmten Bereich scharfzustellen und zu hoffen, dass die Tänzer in diesen Bereich hinein tanzen. Das funktionierte gut, aber manchmal versuchte ich auch die Schärfe nachzuführen und in dem Moment, wenn die Bewegung kurz stoppt, scharfzustellen und auszulösen. Um die Musiker im hinteren Teil der Bühne abzulichten, nutzte ich gerne das TTArtisan und dort spielte es seine Stärke aus: Ein Gitarrist scharf, der andere fast in der Unschärfe.
Zuhause am Computer überlegte ich mir die mögliche Bearbeitung der gemachten Bilder. Teilweise waren die Gesichter durch die starken Strahler mit verschiedenen Farben doch etwas bunt. Ich entschied mich zur Schwarz-Weiss-Bearbeitung. Ich bin ein großer Fan von Monochrom, da dies fast immer edel aussieht.
Foto: Hans-Jürgen SommerAls Fazit zum TTArtisan kann ich nur schreiben, dass ich begeistert bin. Man muss jedoch seine Fehler kennen. Bei normalem Licht und bedecktem Himmel ist es auch perfekt für extreme Portraits mit überragender Freistellung. Bei dieser Lichtstärke und Brennweite ist auch eine Ganzkörper-Freistellung möglich; die abgelichtete Person löst sich vom Hintergrund. Ich mag dies sehr. Ist es jedoch sonnig und man hat den falschen Winkel zur Sonne, sind die Bilder schnell flau. Auch ist es empfindlich für Lens Flares. Dies mag vielleicht an der etwas kurzen Gegenlichtblende liegen. Chromatische Aberrationen konnte ich bis jetzt nicht feststellen, diese lassen sich aber in Lightroom leicht beheben. Ansonsten ist das Objektiv auch offen scharf und vignettiert nur minimal. Außer für die Flamenco-Fotografie nutze ich das TTArtisan, um Städte, in denen ich schon oft war, mal anders abzulichten: Mit relativ langer Brennweite und extremem Bokeh. Das funktioniert auch sehr gut. Ich war z. B. schon oft in Bruchsal oder in Schwetzingen im Schlosspark. Dort gibt es ein paar meterhohe Statuen, die man zum freistellen nutzen kann. Im Hintergrund verschwindet das Schloss dann fast im Bokeh. Dieses Bokeh ist schön weich, nicht harsch oder hart.
Zwar ist das TTArtisan nicht ganz günstig, aber seinen Preis absolut wert. Es besitzt eine tolle Haptik und ist gut verarbeitet. So viel Glas hat natürlich sein Gewicht. Knapp 1kg bringt es auf die Waage. Nicht gerade wenig, aber das Schleppen lohnt sich. Das Objektiv ist für Bokeh-Fetischisten wie mich ein Traum.
Foto von Hans-Jürgen SommerÜber Hans-Jürgen Sommer
Im Sommer 1969 in Speyer am Rhein geboren und aufgewachsen in der Provinz um Ludwigshafen, wandte sich Hans-Jürgen Sommer schon früh den schönen Künsten zu. Gerne malte er, doch mit 15 entdeckte er für sich die Fotografie. Den richtigen Moment festhalten, das faszinierte ihn. Eine Aufnahme war in dieser analogen Zeit kostbar. So musste er sich, schon in der Planung, intensiv mit jedem Bild auseinandersetzen. Dies kommt ihm noch heute zugute.
Mit dem Einzug der digitalen Fotografie lebt er seine Leidenschaft noch intensiver aus und er konnte seine Erfahrungen aus dem Bereich der Informationstechnologie in seinen Workflow mit einfließen lassen. Dies eröffnete ihm neue gestalterische Möglichkeiten.
Hans-Jürgen Sommer hält sich nicht an gängige Konventionen in der Fotografie. Stimmt die Qualität, so schafft es auch eine selektive Kolorierung in seine enge Bildauswahl.
Er hat Ausstellungserfahrung und engagierte sich in der Vergangenheit auch im Bereich Charity.